KNUhu - Zur Startseite Arbeitskreis nördliche Urwälder Regenwald in Kanada Download Sitemap Links Kontakt
Koordinationszentrum Natur und Umwelt Kurzinfo Aktuell Hintergrund Aktion Galerie  
 

                                     



Faszinierende Landschaft

Ausverkauf des großen Küstenregenwaldes

Marodes Lizenzsystem

Indianische Landrechte

Das Brasilien des Nordens

"Klimaschutz" mit der Kettensäge

Das Image bröckelt...
 

Kettensägen in Britisch Kolumbien wandern nordwärts

- Kanada weiterhin auf dem Holzweg -


Rücksichtslose Kahlschläge in den temperaten Regenwäldern brachten Kanadas westlichster Provinz Britisch Kolumbien den Beinamen "Brasilien des Nordens" ein. Im Mittelpunkt der Kritik steht - auch nach der Verabschiedung des vielgelobten neuen Forstgesetzes 1995 - der augenscheinliche Raubbau an jahrtausende alten Urwäldern. Damit verbunden sind die Missachtung indigener Landrechte und ein Pachtsystem, das einer naturverträglichen Waldnutzung zahlreiche Hürden in den Weg stellt.

Anmerkung:
Die Texte dieser Seite sind von Jutta Kill gegen 1996 geschrieben, also deutlich vor dem Abkommen zum Great Bear Rainforest, aber in einigen Inhalten leider noch aktuell. Bitte lesen Sie auch das Update zum Abkommen!

Dean Channel

Die Fjordlandschaften der Midcoast von British Columbia enthalten zwischen steilen Bergen die größten Reste temperaten Regenwalds.

Bild: Dean-Channel-Fjord
                                     
Starlet - Aktionsboot des Forest Action Network    

Langsam tuckert die "Starlet" den Dean-Channel-Fjord hinauf Richtung Norden. Fünf Stunden lang, vorbei an dicht bewaldeten Hängen, schroffen Felsen und breiten, von Urwald gesäumten Fjorden. Ihr Ziel ist das Skowquiltz-Tal, eines der wenigen unerschlossenen Wassereinzugsgebiete im Großen Küstenregenwald, dem "Great Bear Rainforest" (Regenwald des Großen Bären). NOCH ist kaum erschlossen, noch ziehen die Grizzly- Bären hier ungestört ihres Weges. Doch nach dem Willen der Provinzregierung sollen hier ab 1998 die Kettensägen dröhnen.

Bereits kurz nach Bekanntwerden der Einschlagpläne erhoben sich Gegenstimmen: die Nuxalk (sprich: Nuchook) sind eine der sechs indianischen Nationen im Großen Küstenregenwald, die ihre Landrechte nie an die kanadische Regierung abgetreten haben und sich deshalb immer noch als die rechtmäßigen Verwalter dieser Wälder ansehen. Gegen die Einschlagpläne wollen sie sich mit allen gewaltfreien Mitteln wehren.

Um Blockaden wie 1993 im 400 km südlich auf Vancouver Island gelegenen Clayoquot Sound zunächst zu vermeiden, errichteten die Nuxalk 1996 gemeinsam mit der Umweltorganisation Forest Action Network (FAN) eine Forschungsstation im Skowquiltz-Tal. Sie soll die Bedeutung des Skowquiltz als kulturelles Zentrum der Nuxalk und Ruhestätte für ihre Ahnen sowie als wichtigen Lebensraum für Marmelalk, Weißkopfseeadler, Habicht, Grizzly, Schwanzfrosch und zahllose andere Urwaldarten dokumentieren. Sollte dieser Versuch, die Regierungsentscheidung zu revidieren, fehlschlagen, werden Blockaden und Verhaftungen auch in den Skowquiltz Einzug halten. Blockaden 1995 und 1997 im nur wenige Kilometer südlich gelegenen Ista-Tal machten deutlich, daß es auch weiterhin ein breites Bündnis gegen die Vernichtung der letzten Urwälder in Britisch Kolumbien gibt, daß Menschen weiterhin bereit sind, sich der unheiligen Allianz zwischen Holzkonzernen, Provinzregierung und Gerichten mit gewaltfreiem Widerstand entgegenzusetzen und daß internationale Proteste gegen die Kahlschlagpolitik in Britisch Kolumbien nicht durch kosmetische Aufbesserung der Forstgesetze und teure PR-Kampagnen zu besänftigen sind.

 

   

Urwaldgebiete im Großen Küstenregenwald

Urwaldgebiete
im Großen Küstenregenwald



Faszinierende Landschaft

Ausverkauf des großen Küstenregenwaldes

Marodes Lizenzsystem

Indianische Landrechte

Das Brasilien des Nordens

"Klimaschutz" mit der Kettensäge

Das Image bröckelt...
     


Faszinierende Landschaft

Der Große Küstenregenwald erstreckt sich über 25.000 Quadratkilometer entlang der Pazifikküste in Kanadas westlichster Provinz Britisch Kolumbien. Das Gebiet umfaßt zahlreiche Inseln, Fjorde und Berghänge, die bis in die alpine Vegetationszone hinaufreichen. Hänge, überzogen mit üppigen Urwäldern, wechseln sich ab mit schroffen, steil aus dem Wasser aufragenden Felsen. Seit wenigstens 8000 Jahren ist der Große Küstenregenwald zudem Heimat von sechs indianischen Nationen: Den Nuxalk, Haisla, Heiltsuk, Oweekeno, Tshimshian und den Kwakiutl. Ihre traditionelle Lebensweise ist eng mit dem Lachs und den Wäldern mit ihren alten Riesenlebensbäumen verbunden. Auch heute noch sind mehr als 50% der Bevölkerung (ca. 3900 Menschen) im Großen Küstenregenwald indianischer Abstammung. Hier befindet sich auch das größte straßenfreie Gebiet in Britisch Kolumbien: Die Wälder, Flüße und Bergwiesen des »Greater Kitlope« bedecken eine Fläche von einer Million Hektar (ungefähr ein Drittel der Schweiz).

Über 1500 Jahre alte Riesenlebensbäume (Thuja plicata - auch Rotzeder genannt) mit bis zu vier Meter dicken Stämmen, über siebzig Meter hohe Sitkafichten (Picea sitchensis) und Hemlocktannen (Tsuga heterophylla) sind die augenfälligsten Bestandteile der artenreichen temperaten Regenwälder. Kristallklare Bergbäche und Flüße, Gezeitenzone und smaragdgrüne Wasser der Fjorde sowie die Urwälder bieten einer Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten letzte Rückzugsmöglichkeiten, die an anderen Orten bereits ausgerottet oder stark gefährdet sind. Marmelalk, Bergpuma, Riesenhai, Grauwal und der weiße Kermode Bär seien hier als spektakulärste Beispiele für die vielen Tier- und Pflanzenarten genannt, die auf den Großen Küstenregenwald als Lebensraum angewiesen sind.

Doch Abgeschiedenheit und Schönheit der Region verschonten die Urwälder des Großen Küstenregenwaldes nicht vor dem Raubbau transnationaler Holzkonzerne. Nach dem Kahlschlag bleiben baumlose Hänge und Täler zurück, aus den Flüßen verschwinden die Lachse - und von der Holzwirtschaft abhängige Gemeinden sehen neben dem Urwald auch die Arbeitsplätze auf den mit Rohstämmen beladenen Flößen davonschwimmen. Die großen Profite hingegen streichen Holzkonzerne wie International Forest Products (Interfor) ein. Am größten ist für sie der Gewinn in den Gebieten, in denen uralte Baumriesen - Hemlock, Fichte und Riesenlebensbaum - wachsen. Und folglich ist auch ihr Interesse, Einschlaglizenzen selbst für die letzten noch unerschlossenen Urwaldgebiete zu ergattern, weiterhin ungebrochen.

 

     

Landkarte: Great Bear Rainforest

Karte des Great Bear Rainforest:
Das meisten Gebiete sind bisher ohne Schutz!



Faszinierende Landschaft

Ausverkauf des großen Küstenregenwaldes

Marodes Lizenzsystem

Indianische Landrechte

Das Brasilien des Nordens

"Klimaschutz" mit der Kettensäge

Das Image bröckelt...
     


Ausverkauf des Großen Küstenregenwaldes

Am 27. September 1995 wurde im zuständigen Forstamt in Hagensborg, Britisch Kolumbien in aller Stille der Ausverkauf der Urwälder im Großen Küstenregenwald besiegelt. Die Verhandlungen, in Britisch Kolumbien »charting« genannt, fanden unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt: ohne öffentliche Außchreibung oder Anhörungen. Fünf Holzkonzerne sicherten sich auf diese Weise Einschlagrechte für mehrere hunderttausend Hektar Wald. Das beste »Schnäppchen« im Ringen um die begehrten Lizenzen machte zweifellos Interfor, einer der größten Holzkonzerne in Kanada, der die Mehrzahl der zu vergebenden Lizenzen erhielt. Bisher intakte Täler sollen durch Straßen zerschnitten, mit Kahlschlägen überzogen und der wenig später einsetzenden Bodenerosion preisgegeben werden.

Doch damit nicht genug: Die Lizenzen wurden vergeben, obwohl die Erstellung eines Landnutzungsplans für die Region gerade erst begonnen hat. In diesem Verfahren sollte unter anderem festgelegt werden, welche Gebiete für Holznutzung - sprich Kahlschlag - freigegeben und welche Gebiete geschützt werden sollen. Mit der Vergabe der Einschlaglizenzen wurde diese Entscheidung faktisch vorweggenommen. Sollte sich die Provinzregierung doch entscheiden, Teile des Großen Küstenregenwaldes unter Schutz zu stellen oder die Landrechte indianischer Nationen anzuerkennen, wird dies teure Rückkäufe der gerade verhökerten Einschlaglizenzen zur Folge haben: Die Konzerne erhalten in diesem Fall Entschädigungszahlungen zum Marktwert des Holzes - ohne daß sie je etwas für den Erhalt der Lizenzen gezahlt hätten.

 



Faszinierende Landschaft

Ausverkauf des großen Küstenregenwaldes

Marodes Lizenzsystem

Indianische Landrechte

Das Brasilien des Nordens

"Klimaschutz" mit der Kettensäge

Das Image bröckelt...
     

Marodes Lizenzsystem

Dies ist nur eine der fragwürdigen Eigenarten des Pachtsystems, das seit seiner Einführung in den 1950er Jahren das Ende vieler kleiner Holzunternehmen in Britisch Kolumbien bedeutete. Gleichzeitig führte es zur Konzentration der Einschlagrechte in der Hand weniger, meist transnationaler Konzerne.

Die Geschichte des Landraubes begann in Britisch Kolumbien mit dem Beitritt der Provinz zur Kanadischen Föderation im Jahre 1871. Wälder, Flüße und Bodenschätze gingen per Beschluß in den Besitz der Britischen Krone und in deren Rechtsnachfolge an Kanada über. »Crown Land« oder »Public Land« hieß von nun an das von den indianischen Nationen gestohlene Land. Und schon kurze Zeit später begann die Provinzregierung, Einschlaglizenzen für die »öffentlichen Wälder« zu verteilen. Während anfangs nur kleinflächig Lizenzen, vornehmlich an Kleinbetriebe aus der jeweiligen Region, vergeben wurden, folgte in den 50er und 60er Jahren der Ausverkauf riesiger Gebiete an die großen Holzkonzerne. Das auch heute noch weitgehend gültige Pachtsystem entstammt dieser Zeit, in der Interessenverquickung und Bestechungen nicht unüblich waren.

Das Pachtsystem hat bis heute weitreichende Auswirkungungen auf die Waldpolitik in Britisch Kolumbien: Die »öffentlichen Wälder« wurden damals in große Verwaltungseinheiten oder »Arbeitskreise« aufgeteilt. Einen Teil dieser Verwaltungseinheiten (heute TSA, Timber Supply Area genannt) wird weiterhin von den Forstbehörden verwaltet; für die Wälder in diesen Gebieten werden Lizenzen mit festgesetztem Einschlagsvolumen und relativ kurzen Laufzeiten meistbietend versteigert. Für andere Verwaltungseinheiten wurden flächenbezogene Lizenzen, die sogenannten TFLs, "Tree Farm Licenses", vergeben. Eine "Tree Farm Licence" ist ein Langzeitnutzungsvertrag, der dem Lizenznehmer die Verwaltung der betreffenden Wälder überträgt und ihm erlaubt, diese Wälder abzuholzen.

Eine Reihe von Regelungen machen eine "Tree Farm License" geradezu zu einer Goldgrube:

  • Die Laufzeit einer Lizenz beträgt 25 Jahre, nach 10 Jahren kann sie auf Wunsch des Lizenznehmers um weitere 25 Jahre verlängert werden. Will nun die Regierung Teile des Lizenzgebietes anderweitig nutzen (z.B. als Schutzgebiet ausweisen oder zur Anerkennung indianischer Landrechte), so darf sie pro Lizenzverlängerung nur insgesamt so viel Fläche aus der Lizenz umwidmen, wie einer Kürzung der Einschlagsrate um fünf Prozent entspräche. Weitergehende Umwidmungen sind kompensationspflichtig, es muß also mit Steuermitteln "öffentliches" Land von den Firmen "zurückgekauft" werden, das diese zuvor ohne nennenswerte Gegenleistungen erhalten haben.
  • Der Inhaber einer Lizenz erhebt die Daten über die noch vorhandenen Waldbestände selbst und gibt sie an das Forstministerium weiter. Nur diese Daten werden vom Ministerium bei der Festlegung der jährlichen Einschlagsrate berücksichtigt. So wurden bisweilen wirtschaftlich uninteressante, weil unzugängliche Gebiete in die Berechnungen mit einbezogen, (sie könnten ja in Zukunft einmal interessant sein), die daraus resultierende erhöhte Einschlagsrate dann aber vollständig in den leicht zugänglichen Gebieten erfüllt.
  • Während kleine Holzunternehmen ihr Einschlagvolumen weitestgehend in ein bis zwei Jahres-Rhythmen ersteigern müßen, greifen große Konzerne wie MacMillan Bloedel und Interfor zusätzlich auf die in ihren TFLs langfristig gesicherten Einschlagrechte zurück. Auch die »Stumpage«, eine Abgabe, die für das Fällen des Holzes an die Provinz abgeführt wird, ist für Kleinbetriebe fast doppelt so hoch wie für die Inhaber der TFLs. So zahlten die großen Konzerne 1994/95 im Durchschnitt CAN$ 25 pro m3 an »Stumpage« während kleinere Unternehmen durchschnittlich CAN$ 40 pro m3 abführen mußten.
  • Mit den TFLs wurden die holzwirtschaftlich produktivsten Wälder nahezu kostenlos an große Holzkonzerne vergeben. Forstminister Robert Sommers (»Honest Bob Sommers«), in dessen Amtszeit in den 50er Jahren die ersten Lizenzen vergeben wurden, wurde wegen Bestechlichkeit im Amt im Zusammenhang mit der Lizenzvergabe zu fünf Jahren Haft verurteilt. Wegen der öffentlichen Kritik am Ausverkauf der Wälder ging er ins Gefängnis, doch die Vergabe der Lizenzen ging unverändert weiter. So kam es zur Konzentration der Einschlagrechte in den Händen weniger Holzkonzerne, und es begann der industrielle Raubbau in den Küstenregenwäldern.

Heute kontrollieren die zehn größten Holzkonzerne in Britisch Kolumbien 59% der jährlichen Einschlagrate der Provinz, und sogar 77% des Einschlags in den Küstenregenwäldern. Die Aktienanteile der 25 größten Holzkonzerne gehören zu 70 % Teilhabern mit Wohnsitz außerhalb der Provinz und 48 % der jährlichen Einschlagrate werden von Firmen kontrolliert, deren Aktienmehrheit sich außerhalb von Britisch Kolumbien befindet. So flossen etwa zu Beginn der 90er Jahre 72% der in der Region Port Alberni (Vancouver Island) aus der Holzwirtschaft erwirtschafteten Einkünfte aus der Region ab.

"Es wird ein trauriger Tag sein für Britisch Kolumbien, wenn die Holzindustrie hier nur noch aus wenigen großen Konzernen besteht, die im Besitz der produktivsten Waldbestände sind, ...denn dies wird auch das Ende vieler unabhängiger Holzfäller und kleiner Sägewerksbesitzer sein."
H.R. MacMillan (1956)

Zusätzlich zu den offensichtlichen Skandalen und Peinlichkeiten bei der Vergabe der Lizenzen erhielten Konzerne noch eine Reihe weiterer Vorzüge aus den öffentlichen Kassen: Der zum Holzgiganten Weyerhaueser gehörende Konzern MacMillan Bloedel etwa kassierte im Laufe der 80er Jahre CAN$ 28,9 Mio. an "Forschungs- und Entwicklungsgeldern", CAN$ 26,5 Mio. an Investitionsvergünstigungen und weitere Steuervergünstigungen im Wert von CAN$. 253,4 Mio. Im gleichen Zeitraum lagen die Nettoeinnahmen des Unternehmens bei CAN$ 1,03 Mrd. Ähnliche Rechenexempel ließen sich auch für die übrigen Konzerne erstellen. Auch ist das marode Lizenzsystem nicht nur eine Altlast aus vergangenen Jahrzehnten: 1992 wurde der damalige Forstminister Dan Miller für drei Monate vom Dienst suspendiert, weil er bei der Lizenzvergabe an seinen zukünftigen Arbeitgeber, den Holz und Papierkonzern REPAP, mitgewirkt hatte. Und Interessenverquickungen scheinen auch in den späten 90er Jahren nicht ausgeschlossen zu sein, wie der Ausverkauf im Großen Küstenregenwald zeigt.

Das "feudale" Pachtsystem ist jedoch nicht auf Britisch Kolumbien beschränkt, wie das folgende Beispiel zeigt: In Alberta, der östlich an Britisch Kolumbien angrenzenden Provinz, verteilte die dortige Regierung in den letzten Jahren weite Teile des Landes als Forest Management Agreement (weitgehend analog zu den TFLs in Britisch Kolumbien) an multinationale Konzerne. 221000 Quadratkilometer borealer Wald - das entspricht etwa der Größe Großbritanniens - sollen in den kommenden Jahren in den riesigen, neuen Zellstofffabriken verschwinden. Und wieder umfassen die so freizügig verteilten Lizenzen Gebiete, die traditionell von indianischen Völkern bewohnt und nie an Kanada abgetreten wurden. Besonders die Proteste der Lubicon Cree gegen die Einschlagpläne des japanischen Konzerns Daishowa sind zu einer Frage des kulturellen Überlebens für die Lubicon geworden.

 



Faszinierende Landschaft

Ausverkauf des großen Küstenregenwaldes

Marodes Lizenzsystem

Indianische Landrechte

Das Brasilien des Nordens

"Klimaschutz" mit der Kettensäge

Das Image bröckelt...
     

Indianische Landrechte

Wie im Fall der Lubicon Cree in Alberta, ist auch 130 Jahre nach dem Beitritt Britisch Kolumbiens zur kanadischen Föderation weiterhin unklar, wem das Land eigentlich gehört, das vom Forstministerium der Provinz so großzügig an die Holzkonzerne verteilt wird. Abgesehen von wenigen Ausnahmen kann die Provinzregierung in Britisch Kolumbien bis heute keine Landabtretungsverträge für die vom Forstministerium vergebenen Gebiete vorweisen. Die indianischen Nationen im Großen Küstenregenwald etwa, haben ihr Land nie an die kanadische Regierung abgetreten oder verkauft. Doch als Britisch Kolumbien 1871 der Kanadischen Föderation beitrat, erloschen - so die offizielle kanadische Sichtweise - automatisch alle früheren Rechte der indianischen Nationen. Sie wurden der Verwaltung durch das "Bundesministerium für indianische Angelegenheiten" unterstellt. Verbote der indianischen Sprachen und Bräuche, Unterbringung der indianischen Kinder in entlegenen Internaten und Aberkennung des Indianerstatus für Frauen, die einen weißen Mann heirateten, sind nur einige der »Veränderungen«, denen indianische Nationen in Kanada bis in jüngste Zeit ausgesetzt waren.

Lachs

Getrockneter Lachs ist wichtige Nahrungreserve für die Nuxalk

1880 wurden ihnen Reservate, meist in der Nähe ihrer Siedlungs- oder Fischfangplätze zugeteilt, die jedoch bei weitem nicht die traditionell genutzten Stammesgebiete umfaßten. Die Größe der Reservate errechnete sich aus der Zahl der Indianer/innen, die in dem Gebiet lebten. Durchschnittlich wurden jeder Person 1,6 Hektar Reservatsland zugestanden. Abgespeist mit Landrechten auf den Reservaten - einige nicht viel größer als ein Fußballfeld - mußten viele der indianischen Völker an der Westküste Kanadas miterleben, wie dem Raubbau der Holzkonzerne zahlreiche Täler zum Opfer fielen. Und mit den Urwäldern werden auch weiterhin unzählige alte Siedlungen und heilige Stätten zerstört.

Wie schwierig es für die Indianer ist, ihr Recht zu bekommen, zeigte auch die Auseinandersetzung um Meares Island, eine dicht bewaldete Insel im Clayoquot Sound und ein traditionelles Zentrum indianischer Kultur in dieser Region. Seit Jahren führen Ureinwohner/innen einen Rechtsstreit gegen die Regierung und den Konzern MacMillan Bloedel, der, versehen mit einer entsprechenden Einschlagslizenz, die Wälder auf der Insel kahlschlagen will. Verhandelt wird - selbstverständlich - vor einem kanadischen und nicht etwa vor einem indianischen oder internationalen Gericht. Der Prozeß verschlingt immense Summen, die von den wirtschaftlich schwachen indianischen Nationen kaum aufgebracht werden können.

Dabei ist die Position der indianischen Völker eindeutig: Auch nach heute geltender Gesetzgebung sind die indianischen Nationen solange im Besitz ihres traditionellen Landes, wie keine Landabtretungsverträge abgeschlossen wurden. Diese Rechtsauffassung geht auf die Royal Proclamation von 1763 zurück. Sie besagt, daß die kanadische Regierung keine Befugnis hat, unveräußertes Land indianischer Nationen einer dritten Partei zu überlassen - eine Rechtsauslegung, die 1995 von einer von der kanadischen Bundesregierung einberufenen Untersuchungskommission bestätigt wurde.

"A long time ago...we had a number of settlements up and down the valley and on the Salt Water, but the white man took possession of them, and also the timber. I hear the white man are making a great deal of money out of the land that formerly belonged to the Indians. If I were to go to USA, England or any part of Canada and go on anyone's land like that I would be put in jail right away, and we would like to know why our lands have been taken from us this way. We don't want to lose any more land than we have already lost."
Nuxalk Chief Sungwmay (Tom Henry) 1916.

 




Faszinierende Landschaft

Ausverkauf des großen Küstenregenwaldes

Marodes Lizenzsystem

Indianische Landrechte

Das Brasilien des Nordens

"Klimaschutz" mit der Kettensäge

Das Image bröckelt...
     

Das Brasilien des Nordens

Doch nicht nur der Umgang mit indianischen Landrechten erinnert an die Zustände im südlichen Amerika. Ein Blick auf die »Nutzung« der Wälder zeigt weitere Parallelen zu Ländern, die wegen der Vernichtung tropischer Wälder im Zentrum internationaler Kritik stehen: Mehr als die Hälfte des in Britisch Kolumbien seit 1911 eingeschlagenen Holzes wurde nach 1975 abgeholzt, und während sich die jährliche Einschlagrate in den letzten 30 Jahren verdreifachte, blieb die Zahl der Arbeitsplätze gleich bzw. sank sogar. In Britisch Kolumbien geht somit auch vier Jahre nach den Massenprotesten 1993 im Clayoquot Sound der Raubbau an den Urwäldern weiter. In vielen Gebieten findet der Einschlag auch heute noch ausschließlich in Urwäldern statt. International Forest Products etwa, bestreitet seine gesamten Abholzungen im Großen Küstenregenwald aus Urwaldbeständen. Einschlagverfahren ist - trotz der extrem steilen Hänge - der Kahlschlag.

Und auch was die Gesetzestreue angeht, gehört Interfor nicht gerade zu den Vorbildern:

  • In mehr als 50 % der 1994 im Auftrag der Provinzregierung untersuchten Gebiete verstieß Interfor gegen die bestehenden Richtlinien zum Fließgewässerschutz. Keinem anderen Konzern in Britisch Kolumbien wurden so viele Vergehen nachgewiesen.
  • Zwischen 1992 und 1995 wurde der Konzern 21 mal dabei ertappt, daß außerhalb zugewiesener Einschlaggebiete abgeholzt wurde - in einem Fall übersah man sogar geflissentlich die Grenzen eines Provinzparkes.
  • Im November 1995 war Interfor der erste Konzern, gegen den wegen Verstoßes gegen das neue Forstgesetz ermittelt werden mußte.
  • Sieben Mal wurde der Konzern in den letzten 15 Jahren wegen Verstößen gegen diverse Forstrichtlinien verurteilt.
  • Mindestens 7690 Hektar, auf denen Interfor Urwälder zerstörte, sind auch heute noch nicht wieder "zufriedenstellend bestockt"

 

 

Interfors Kahlschlag im Großen Küstenregenwald zerstört nicht nur die Urwälder, sondern auch die Möglichkeit, langfristig sichere Arbeitsplätze und eine regionale Holzverarbeitungsindustrie aufzubauen: 95% der abgeholzten Bäume werden unverarbeitet abtransportiert. Pro Jahr verlassen circa 50 Holzflöße den Großen Küstenregenwald in Richtung Vancouver. Jedes der Flöße ist mit 12000 m3 Holz (circa 350 Logging Trucks) beladen, und mit den Stämmen schwimmen pro Ladung 10 Vollzeitarbeitsplätze davon.

 

Interfor

Interfor-Forsttechnik im Einsatz in Ista
 

Mit einem Bruchteil dessen, was Interfor im Großen Küstenregenwald einschlägt, ließe sich also eine stabile regionale Holzverarbeitung aufbauen, ohne daß weiterhin intakte Urwaldgebiete zerstört oder die Landrechte der indigenen Bevölkerung mißachtet würden.

Die zahllosen Regierungsinitiativen, die in den vergangenen Jahren entstanden, haben alle eines gemeinsam: Sie ignorieren die eigentlichen Ursachen des Raubbaus - zu hohe Einschlagraten, marodes Lizenzsystem und Konzentration der Einschlagrechte in den Händen weniger Konzerne - und trafen kleine Unternehmen immer deutlich härter als die transnationalen Konzerne.

 




Faszinierende Landschaft

Ausverkauf des großen Küstenregenwaldes

Marodes Lizenzsystem

Indianische Landrechte

Das Brasilien des Nordens

"Klimaschutz" mit der Kettensäge

Das Image bröckelt...
     

"Klimaschutz" mit der Kettensäge

Um das angekratzte Image der kanadischen Holzindustrie aufzupolieren, muß zuweilen auch die globale Klimaveränderung herhalten: Das Abholzen der Urwaldbestände ("decadent and overmature forests" in den Worten der kanadischen Forstindustrie) trage letztlich sogar zur Senkung des C02-Gehaltes der Atmosphäre bei, heißt es. Ein "Argument" - oder vielmehr eine unbewiesene, ja geradezu allen wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechende Behauptung, die leider allzuhäufig gutgläubig übernommen wird.

In den Regenwäldern an der Westküste Kanadas sammeln sich im Laufe der Jahrhunderte bis zu 4 000 Tonnen Biomasse pro Hektar - gut dreimal soviel wie in den tropischen Regenwäldern und mehr als in jedem anderen terrestrischen Ökosystem dieser Erde. Obwohl die temperaten Regenwälder nur 4% der Fläche Kanadas einnehmen, enthalten sie doch 20% der insgesamt in Kanada vorhandenen Biomasse - ein gigantischer Kohlenstoffspeicher!

 

 

Regierung und Holzindustrie stellen das Ersetzen des "überalterten" Urwaldes durch schnell wachsende Sekundärwälder gerne als aktiven Beitrag zur Senkung des CO2-Gehaltes der Atmosphäre dar. Schließlich, so die durchaus richtige Feststellung, sei die Netto-CO2-Aufnahme eines voll ausgebildeten Urwaldes gleich Null. Die Freisetzung von CO2 durch natürliche Abbauprozesse und die CO2 -Aufnahme durch Pflanzenwachstum stehen miteinander im Gleichgewicht. Bei jungen, schnell wachsenden Sekundärwäldern überwiegt hingegen die Assimilation, sie nehmen mehr CO2 aus der Atmosphäre auf, als sie an diese wieder abgeben. Entscheidend ist jedoch, wieviel Kohlenstoff langfristig gespeichert werden kann, und damit dauerhaft dem CO2 -Pool der Erdatmosphäre entzogen ist. Und in diesem Punkt kann es keinen Zweifel an der unerreichbaren Speicherfähigkeit der Primärwälder geben. Die Bedeutung der Wälder für die atmosphärische CO2 -Konzentration liegt nämlich nicht in ihrer Fähigkeit, kurzfristig CO2 fixieren zu können. Das können andere Pflanzen, wie z.B. Mais viel besser.

 

sekundärwald: <span class="tdr">Monotoner Forst aus 30j&auml;hrigen Douglasien
Sekundärwald:
Monotoner Forst aus 30jährigen Douglasien

 

 

Eine Studie der Universität von Corvallis, Oregon (Harmon et al., 1990) untersucht die CO2-Bilanz der Umwandlung der Urwälder in Sekundärwälder in den US-Bundesstaaten Washington und Oregon. Bei sehr vorsichtigen Grundannahmen kommen die Autoren zu dem Schluß, daß durch die Umwandlung von 50000 Quadratkilometer Urwald in Sekundärwälder in den beiden Bundesstaaten in den letzten 100 Jahren etwa 1,5 Milliarden Tonnen CO2 freigesetzt wurden. Das ist mehr als das Doppelte des gesamten 1987 von der Bundesrepublik emittierten CO2.

 




Faszinierende Landschaft

Ausverkauf des großen Küstenregenwaldes

Marodes Lizenzsystem

Indianische Landrechte

Das Brasilien des Nordens

"Klimaschutz" mit der Kettensäge

Das Image bröckelt...
     

Das Image bröckelt...

Ob Clayoquot Sound, Großer Küstenregenwald oder Slocan Valley - immer geht es um die von der Forstindustrie geplante Liquidierung selbst der letzten Urwälder in Kanada. Die großen Konzerne fürchten, daß ihnen unter dem Druck einer wachsenden kritischen Öffentlichkeit sicher geglaubte Pfründe entzogen werden könnten. Der Run auf weitere Einschlagslizenzen für die letzten zusammenhängenden Gebiete wie etwa den Großen Küstenregenwald hat begonnen. Die Konzerne reagieren auf die kritischer werdende Öffentlichkeit mit ausgefeilten PR-Initiativen und mit der Änderung ihrer Nutzungspläne: Besonders "bedrohte" Gebiete werden in der Einschlagsplanung um Jahre vorgezogen. In viele bisher unerschlossene Gebiete werden vorsorglich schon einmal Straßen hineingeschlagen, um vollendete Tatsachen zu schaffen.

Die Bedeutung der Auseinandersetzungen um die Zerstörung der Urwälder geht jedoch längst weit über Clayoquot Sound oder den Großen Küstenregenwald hinaus. Es geht um die Frage, ob die Betroffenen weiterhin zulassen werden, daß die Ressourcen des Landes in einer Grauzone zwischen Politik und Wirtschaft zum Nachteil zukünftiger Generationen verschleudert werden.

Und es geht um das internationale Ansehen Kanadas. Tausende von Protestbriefen und Aktionen in zahlreichen Ländern der Erde zeigen ihre Wirkung.
Arthur Campeau, 1993 Verteter Kanadas bei den Vereinten Nationen, erklärte im September 1993:

"Ich glaube, daß der Clayoquot-Konflikt bereits zu lange andauert. Er schadet uns mehr, als wir bereit sind zuzugeben. Im Ausland bröckelt Kanadas beneidetes Image als weltweit führendes Land im Naturschutz und wird verdrängt durch das Bild eines environmental outlaw."

 

 

 

 

 

 
 

Text:  Jutta Kill / ArbeitsKreis nördliche Urwälder (AKU)    -    Fotos:  © Philipp Küchler


ZURÜCK HOME MAP START WEITER