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Kanadas Mountain Caribou
in Lebensgefahr

Lebensraum Inland-Regenwald schrumpft bedrohlich

Text von Elisabeth von Ah, Freie Journalistin aus Slocan, BC

 

       
 

Mountain Caribou - Foto: Trevor Kinley

Als die ersten weißen Siedler an der Wende des 19. ins 20. Jahrhunderts dem Run folgten, der durch verheißungsvolle Silberfunde in der Kootenay Region der westlichen Rocky Mountains von British Columbia ausgelöst wurde, betraten sie eine bislang vom Menschen fast völlig unberührte Natur. Flussläufe in den Tälern waren die einzigen Transportwege in einer Gebirgslandschaft, deren steile Berghänge von undurchdringlichem Urwald überzogen waren. Alte, verblichene Fotos zeigen die ersten Pioniere vor gigantischen Zedern, 1500 bis 2000 Jahre alt und mit einem Stammdurchmesser von mehreren Metern. Heute muss man weit in die Einsamkeit der Wälder vordringen, um noch einige dieser uralten Bäume zu finden.

Die westliche Seite der Rocky Mountains, rund 800 km Luftlinie vom Pazifik entfernt, beherbergt den einzigartigen Interior Rainforest, den Regenwald des Landesinneren, der sich von Prince George in der Mitte British Columbias bis in Teile von Washington, Idaho und Montana erstreckt. Die ersten Siedler haben hier ein wahres Paradies vorgefunden, vom Klima begünstigt, die Wälder voller Wildtiere und die glasklaren Flüsse voller Fisch.

Die damals vorherrschende Wildart waren die Mountain Caribou (Rangifer tarandus), als Wald- und Bergkaribus kleinere Verwandte der großen Karibus des Nordens und weltweit die einzigen ihrer Art. Während sie im Sommer Kräuter, Gräser und Büsche der subalpinen Wiesen abweideten, verbrachten sie den Winter in hochgelegenen, schneereichen Bergwäldern, deren meterlange Flechten -die nur auf alten Bäumen wachsen - ausreichend Nahrung boten. Im Vorwinter und Frühling hingegen, wenn der Schnee in den Bergwäldern zu nass und weich ist, um die breithufigen Tiere an die Flechtenbehänge der Bäume heran zu lassen, wanderten sie in die täler hinab. Dort boten ihnen dichte Regenurwälder aus riesigen Zedern, Hemlocktannen und Fichten eine Nische mit perfekten Lebensbedingungen für diese Übergangszeit.

Auch heute ist das Überleben der Mountain Caribou nur in diesen Urwäldern mit ihrem speziellen Nahrungsangebot möglich. Und hier liegt das Problem, das die Tiere an den Rand des Aussterbens bringt, erzählt Aktivist Henry Hutter, Schweiz-Kanadier, der seit fast 40 Jahren in Kanada lebt. Auf den Profit, den die Baumgiganten auf dem Holzmarkt bringen, haben Holzkonzerne und Regierungen schon lange ein Auge geworfen und betreiben nunmehr seit mehr als dreißig Jahren die Abholzung eines Berghanges nach dem anderen, beklagt er. Um immer mehr dieser Kahlschläge zu verhindern, die bereits jetzt ganze Landschaften mit nackten Stellen wie Flicken eines Patchworkmusters überziehen, versucht der Umweltschützer und Naturliebhaber oftmals im Alleingang Holzfällern mit ihren modernen Maschinen den Zugang zu den schützenswerten Gebieten zu blockieren.
 

    Mountain Caribou
 
Foto: Patrice Halley
Links: Blockade der Forststraße der Pope and Talbot Holzkonzerne,
die Urwälder im Incomappleux River Valley schlagen.
 
Rechts: Subalpiner Sommer-Lebensraum der Caribou im Incomappleux River Valley.
 
Fotos: Tom Prior
     

 

 
Die wenigen intakten Stücke, die von der menschlichen Gier und der Motorsäge, von Straßen, Farmen und Siedlungen bislang verschont geblieben sind, sind oft nicht miteinander verbunden und werden immer kleiner. Mit ihnen schwindet der Lebensraum der Mountain Caribou, und das spiegelt sich in direkter Weise in immer kleiner werdenden Herden wider. Während der Regenwald am Anfang des 20. Jahrhunderts mit rund 65.000 Quadratkilometern eine Fläche mehr als doppelt so groß wie Belgien bedeckte, ist er heute auf die Hälfte geschrumpft

Vor hundert Jahren ging die Zahl der Karibus in die Zehntausende, heute gibt es weniger als 1670 Tiere in nur noch dreizehn Herden, sechs davon mit weniger als 50 Tieren. Das ist viel zu wenig, um einen gesunden, nicht durch Inzucht geschwächten Nachwuchs zu garantieren. In die kahl geschlagenen Berghänge rücken zudem im Sommer Rehe und Hirsche aus den Tälern nach, diesen folgen Koyoten, Pumas, Grizzly- und Schwarzbären und Wölfe.

Dennoch ist es wissenschaftlich nachgewiesenermaßen falsch, diese großen Raubtiere für den Rückgang der Bergkaribus verantwortlich zu machen Ihre Zahlen gehen durch den Verlust des gemeinsamen Lebensraumes gleichermaßen zunehmen zurück, sie sind in gleicher Weise gefährdet. Raubtiere aus vorgegebenen Schutzgründen für die Karibus verstärkt zum Abschuss freizugeben – wie dies von der Jagdlobby aus Eigeninteresse immer wieder gefordert wird – wäre nicht nur eine unverantwortliche, sondern auch völlig unwirksame Maßnahme, das Überleben der Mountain Caribou zu sichern. Beide, Karibus wie Raubtiere, haben eine Fortpflanzungsrate, die so gering ist, dass sie mit dem Tempo der fortschreitenden Abholzungen in keiner Weise mithalten kann.

Neben den Abholzungen richten heutige populäre Touristikangebote in abgelegenen Bergregionen, wie Skilaufen mittels Hubschraubern und Pistenfahrzeugen, sowie Snowmobiltouren enormen Schaden an und tun ein Übriges. In eisigen Wintern werden die durch Nahrungsmangel ohnehin geschwächten Tiere dadurch immer wieder aufgeschreckt. In panikartiger Flucht durch meterhohen Schnee verlieren sie so ihre letzten Fettreserven, trächtige Weibchen zudem oft ihre ungeborenen Jungen.

In einer globalisierten Welt, deren Natur- und Bodenschätze von Großkonzernen länderübergreifend ausgebeutet werden, ist auch Umwelt- und Naturschutz eine heute nur global zu bewältigende Aufgabe. Zusammen mit den Bewohnern der betroffenen Regionen, die der Zerstörung der alten Urwälder vor Ort etwas entgegenzusetzen versuchen, sind auch ausländische Besucher gefordert. Wer die Naturschönheiten Westkanadas genießt im Glauben, sie wären unzerstörbar, der irrt. Die letzte unberührte Wildnis in der gemäßigten Klimazone von Nordamerika, der Lebensraum der Mountain Caribou und der ebenfalls bedrohten Grizzlybären, Wölfe, Cougars (Berglöwen) und zahlreicher wichtiger, kleinerer Tierarten, kann nur mit globaler Hilfe vor der Zerstörung bewahrt werden. Die Mountain Caribou jedenfalls haben nicht mehr viel Zeit. Sie sind in Lebens- und Todesgefahr, wenn die alten Regenwälder nicht schnellstens vor weiterer Ausplünderung durch Geschäftemacher aus Wirtschaft und Politik geschützt werden.

© Elisabeth von Ah, Freie Journalistin, Slocan, BC, Kanada, eMail: hauslemon@netidea.com

Weitere Informationen:

  • www.kidsforcaribou.org (Hinweis: offline)
  • www.vws.org (Valhalla Wilderness Society zu Selkirk Park)
  • www.perryridge.org (Vorschlag und Petition für ein Ecological Reserve (Naturschutzgebiet) in Nähe des Valhalla Provincial Park.

Siehe auch:

Inland-Regenwald

Der Südosten British Columbias hat einen besonderen Waldtyp
zu bieten:
Den 'Interior Rainforest', mit den gleichen üppigen und großen Bäumen im Urwald wie in den Küstenregenwäldern, aber mit größerer Pflanzenartenvielfalt.

Nach einer Trockenzone im Regenschatten der Coast Ranges folgt im 'Interior Wet Belt' in einer mittleren Höhenlagen wieder ein sehr niederschlagsreiches Klima, dass sehr lokal ein Wachstum dieses raren Waldtyps ermöglicht.
 

 

Riesenlebensbäume (=Rotzedern) im Incomappleux River Valley
Foto: Tom Prior

Biogeoklimatische Karte der Südhälfte von British Columbia (grau) mit den Regenwald-Zonen:

Farbe Typ Biogeoklimatische Klassifikation
dunkelgrün Immerfeuchter
Küsten-Regenwald
Coastal Western Hemlock Zone
hellblau Saisonaler
Küsten-Regenwald
Coastal Douglas Fir Zone
hellgrün Interior Wetbelt Interior Cedar Hemlock Zone
rot Inland-Rgernwald Interior Cedar Hemlock
wet cool Subzone
dunkelblau Inland-Rgernwald
(sehr feucht)
Interior Cedar Hemlock
very wet cool Subzone

 

Karibu-Arten

Die verschiedenen Rentiere bzw. Karibus werden heute zu einer einzigen Art, dem Rangifer tarandus gezählt, aber in verschiedene Unterarten und auch Ökotypen aufgeteilt.

Die Zusammenfassung zu einer Art hat mit großen genetischen Ähnlichkeiten zutun, bedeutet aber nicht, dass ein Untertyp im Lebensraum eines anderen Untertyps überlebensfähig wäre.
Zu groß sind die für Ernährung und Fortpflanzung nötigen Unterschiede in Verhalten und jahreszeitlichen Wanderungen.

Das 'Mountain Caribou' zählt zur Unterart 'Woodland Caribou' (Rangifer tarandus caribou). Es gilt als Ökotyp der schneereichen Berge des 'Interior Wet Belt" im Südosten British Columbias. Das Bergkaribu überschneidet sich nicht mit dem Normaltyp der borealen Wälder. In manchen Quellen wird es als "Southern Mountain population" des Woodland Caribou eingeordnet.

Wegen seiner fast ausschließlichen Verbreitung in British Columbia trägt diese Provinz die Verantwortung für das Überleben der Art.
Schon einmal wurde in British Columbia ein Karibu-Typ ausgerottet: 1908 schossen Jäger die wohl letzten beiden Dawson Caribous (Rangifer tarandus dawsoni) auf Haida Gwaii.

Dawson Caribou 1908 - Foto: Provincial Archives of B.C. Die letzten Dawson Caribous - Foto von 1908: Provincial Archives of B.C.

 

   


Text:  Elisabeth von Ah     Infokästen: AKU       Fotos: siehe Bildunterschriften


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