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Natura 2000 im Gipskarst

Die FFH / Fauna-Flora-Habitat Richtlinie

 

 
 
 

Abschnitte:

 

     

 

Natura 2000

Unter dem Namen Natura 2000 bauen die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ein gemeinsames Netz von Schutzgebieten für bestimmte Lebensräume sowie Pflanzen- und Tierarten auf. Grundlage ist die "Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie" (Richtlinie 92/43/EWG oder kurz "FFH-Richtlinie") aus dem Jahr 1992. Neben einem bestimmten Verfahren sowie Kriterien zur Auswahl der Schutzgebiete ("FFH-Gebiete"), legt die FFH-Richtlinie auch ein einheitliches Genehmigungsverfahren für Eingriffe in die FFH-Gebiete fest. Mit dem Instrument der FFH-Verträglichkeitsprüfung sollen Eingriffe in das Schutzgebietsnetz des europäischen Naturerbes - wie z. B. Industrieansiedlungen, Gewerbegebiete oder Straßenbau - auf ein möglichst geringes und unumgängliches Maß beschränkt bleiben.

 

 
 
 
 

 
 
 
                         
 
 
 
     

Die wichtigsten in den Gipskarstgebieten des Südharzes vorkommenden Lebensraumtypen und Arten sind:
(* = prioritäre Lebensraumtypen)

Lebensraumtypen (nach Anhang I FFH-Richlinie):

  • *3180 Temporär wasserführende Karstseen ("Turloughs")
  • 3190 Permanente Gipskarstseen auf gipshaltigem Untergrund
  • 4030 Europäische trockene Heiden
  • *6110 Kalk- oder basenhaltige Felsen mit Kalk-Pionierrasen des Alysso-Sedion albi
  • 6130 Schwermetallrasen (Violetea calaminariae)
  • 6210 Trespen-Schwingel-Kalk-Trockenrasen (Festuco-Brometalia)[* orchideenreiche Bestände]
  • 6510 Extensive Mähwiesen der planaren bis submontanen Stufe (Arrhenatherion, Brachypodio-Centaureion nemoralis)
  • *8160 Kalkschutthalden der kollinen bis montanen Stufe
  • 8210 Natürliche und naturnahe Kalkfelsen und ihre Felsspaltenvegetation
  • 8310 Nicht touristisch erschlossene Höhlen
  • 9110 Hainsimsen-Buchenwald (Luzulo-Fagetum)
  • 9130 Waldmeister-Buchenwald (Asperulo-Fagetum)
  • 9150 Mitteleuropäische Kalk-Buchenwälder (Cephalanthero-Fagion)
  • 9170 Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald (Galio-Carpinetum)
  • *9180 Schlucht- und Hangmischwälder (Tilio-Acerion)

 
 
 
 
Prioritärer Lebensraum Schluchtwald im Südharzer Gipskarst
- hier während der Bärlauchblüte fotografiert.
 
 
 
 
 
     

 

Arten (nach Anhang II FFH-Richtlinie):

  • 1083 Hirschkäfer (Lucanus cervus)
  • 1166 Kammolch (Triturus cristatus)
  • 1188 Gelbbauchunke (Bombina variegata)
  • 1308 Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus)
  • 1323 Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteini)
  • 1324 Großes Mausohr (Myotis myotis)
  • 1902 Frauenschuh (Cypripedium calceolus)

Die genannten Lebensraumtypen treten im Südharz - neben Beständen auf Kalk- und Dolomitgestein, wie sie in vielen Landschaften Deutschlands zu finden sind - in spezifischen Ausbildungen auf Gips auf. So finden sich z.B. Kalk-Trockenrasen mit Säurezeigern oder Kalktrockenrasen in Verzahnung mit europäisch trockenen Heiden nur auf Gips und nicht auf Kalk oder Dolomit. Wegen diesen "Speziellen Ausprägungen" bestimmtter FFH-Lebensraumtypen kann daher auf die Auswahl von FFH-Gebieten im Südharzer Gipskarst nicht mit dem Hinweis verzichtet werden, andere Gebiete mit denselben Lebensraumtypen auf Kalkgestein wären schon ausreichend gemeldet.

 

 
 
 
 

 
 
 
                         
 
 
 
     

FFH-Gebiete im Südharz

Von den Landesregierungen Niedersachsens, Thüringens und Sachsen-Anhalts wurden insgesamt elf FFH-Gebiete vorgeschlagen, die ganz oder teilweise im Südharzer Zechsteingürtel liegen. Damit wurden größere Teile des Südharzer Zechsteingürtels geschützt. Wie so oft liegt aber der Teufel im Detail. Denn die Abgrenzung der vorgeschlagenen Gebiete entspricht in vielen Fällen nicht den Vorgaben der FFH-Richtlinie, die besagen, dass die Gebiete ausschließlich nach naturschutzfachlichen Gesichtspunkten festgelegt werden müssen. Das bedeutet, dass bei der Auswahl und Abgrenzung der FFH-Gebiete z. B. auf die Abbauinteressen der Gipsindustrie keine Rücksicht genommen werden kann. Bestehende, vor Inkrafttreten der FFH-Richtlinie bereits bestehende Abbaurechte sind davon nicht betroffen. Sie genießen Bestandsschutz. Neue Abbauvorhaben können dagegen nur unter bestimmten Voraussetzungen im Zuge eines anschließenden Genehmigungsverfahren mit der sog. FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. Dies dürfte jedem einleuchten, wenn man berücksichtigt, dass es hier um die Erhaltung des Europäischen Naturerbes geht.

Voraussetzungen für die Genehmigung eines Abbauvorhabens sind zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses an der Durchführung des Projektes, das Fehlen von Alternativen, mit denen das Ziel des Vorhabens an anderer Stelle oder auf eine andere Art und Weise erreicht werden könnte, sowie die Ausgleichbarkeit des Eingriffes und bei Gebieten mit prioritären Lebensräumen oder Arten eine vorherige Stellungnahme der Europäischen Kommission.

 

 
 
 
 

 
 
 
                         
 
 
 
     

Defizite der Meldung

Bei der Auswahl bzw. Abgrenzung der FFH-Gebiete im Gipskarst wurden viele Flächen ausgenommen, die in den ursprünglichen, naturschutzfachlichen Vorschlägen des Niedersächsischen Landesamt für Ökologie bzw. der Thüringer Landesanstalt für Umwelt von 1994/1995 noch enthalten waren. Grund sind zumeist die Berücksichtigung von Wirtschaftsinteressen (Gipsabbau). Es handelt sich jeweils um Flächen, die die oben genannten Lebensraumtypen und/oder Arten der Anhänge I und II der FFH-Richtlinie aufweisen. Im Einzelnen wurden folgende Flächen - trotz hervoragender Eignung - ganz oder teilweise aus den FFH-Gebietsvorschlägen ausgegrenzt (die angegeben Lebensraumtypen und Arten sollen eine erste Orientierung geben, die Listen sind zum Teil nicht vollständig):

FFH-Gebiet "Gipskarst bei Osterode" (Niedersachsen)

  • Lichtenstein, Forstabteilung 5/6: Laubwaldgebiet mit verschiedenen Buchenwaldtypen (9110, 9130, 9150), Eichen-Hainbuchenwald (9170) und Schluchtwald (9180) sowie Gipsfelsen (8210);
  • Lichtenstein, Forstabteilung 8: Laubwaldgebiet mit verschiedenen Buchenwaldtypen (9110, 9130) und Schluchtwald (9180) sowie Gipsfelsen (8210);
  • Kreuzstiege: Grünlandgebiet mit Halbtrockenrasen (6210), mesophilem Grünland (6510), markanten Einzelbäumen und Gebüschen;
  • Blossenberg-Ost: Grünlandgebiet mit mesophilem Grünland (6510), Halbtrockenrasen (6210) und drei temporären Karstseen / Turloughs (3180).

FFH-Gebiet "Gipskarst bei Bad Sachsa" (Niedersachsen)

  • Röseberg Ost: Laubwaldgebiet mit verschiedenen Buchenwaldtypen (9110, 9130), Schluchtwald (9180) sowie Gipsfelsen (8210).

Fehlendes FFH-Gebiet Grenzstreifen am Röseberg (Thüringen) - als Erweiterung vom FFH-Gebiet Kammerfost oder Hunnengrube oder als länder-übergreifendes FFH-Gebiet "Gipskarst bei Bad Sachsa"

  • Röseberg Grenzstreifen: Buchenwald-Althölzer mit (9150, 9130), Laubwaldtypen in Entwicklung (9130, 9170) und Halbtrockenrasen (6210) - Kohärenter Anschluss an den auf niedersächsischer Seite gemeldeten Röseberg-West fehlt ebenso, wie an den auch in Niedersachsen noch zu meldenden Röseberg-Ost.

FFH-Gebiet "Kammerforst-Himmelberg-Mühlberg" (Thüringen)

  • Rüsselsee: Biotopkomplex mit Buchenwald (9130), Blaugrasrasen (6210) sowie Gipsfelsen (8210); Turlough (Rüsselsee)(3180)
  • Bromberg: Buchenwaldgebiet (u.a. 9130).

FFH-Gebiet "Hunnengrube-Katzenschwanz-Sattelköpfe" (Thüringen)

  • Hohe Schleife und Hageborn: Halbtrockenrasen (6210) und Trockengebüsche, Buchenwald (9130) sowie Gipsfelsen (8210).

FFH-Gebiet "Rüdigsdorfer Schweiz-Harzfelder Holz" (Thüringen)
- ist 2004 inzwischen vollständig nachgemeldet worden
   und dennoch durch Gipsabbau-Vorhaben akut bedroht!

  • Günzdorf / Harzfelder Holz: Laubwaldgebiet mit Buchenwäldern (9110, 9130, 9150) und Schluchtwald (9180), Höhlen (8310) sowie Halbtrockenrasen (6210), Heiden (4030) und mesophilem Grünland (6510); herausragendes Überwinterungsgebiet der Mopsfledermaus;
  • Winkelberg: Grünlandgebiet mit verschiedenen Magerrasen (6210), mesophilem Grünland (6510) sowie Höhlen (8310); Vorkommen u.a. des Großen Mausohres.

FFH-Gebiet "Alter Stolberg" (Thüringen)

  • Alter Stolberg: großflächiges Buchenwaldgebiet (9110, 9130, 9150), Schluchtwald (9180), Höhlen (8310) und Gipsfelsen (8210).

 
In Sachsen-Anhalt werden die Gipskarstgebiete gegenüber Niedersachsen und Thüringen gut geschützt. Sie sind überwiegend als Naturschutzgebiete (über 5000 Hektar!) ausgewiesen und in ein Biosphärenreservat eingebettet. Zwar liegt im sachsen-anhaltinischen Rottleberode ein großes Verarbeitungswerk der Firma Knauf (Abbau des Alten Stolbergs), in Betrieb befindliche Gips-Steinbrüche existieren im sachsen-anhaltinischen Gipskarst aber derzeit nicht.

 

 
 
 
 

 
 
 
                         
 
 
 
     

Verstöße gegen die FFH-Richlinie beim Gipsabbau

Die FFH-Verträglichkeitsprüfung muss für alle Vorhaben durchgeführt werden, von denen eine erhebliche Beeinträchtigung eines FFH-Gebietes ausgehen könnte. Dies gilt auch für Vorhaben die außerhalb eines solchen Schutzgebietes liegen, dieses aber von dort beeinträchtigen, z.B. durch Staubeinträge oder Grundwasserabsenkung. Der Trick bei der Herausnahme der geplanten Gipsabbauflächen aus den FFH-Gebieten ist, dass nur die indirekten Beeinträchtigungen von außen betrachtet werden, die Zerstörung der Lebensräume der eigentlichen Abbauflächen jedoch bei der FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht mehr berücksichtigt wird, obwohl sie dieselben Lebensräume von vergleichbarer Wertigkeit aufweisen, wie die FFH-Gebiete selbst. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung läuft dann ins Leere, da die indirekten Einflüsse regelmäßig nicht als erhebliche Beeinträchtigungen eingestuft werden.

Aufgrund dieser Missstände - fehlerhafte Gebietsabgrenzung und FFH-Verträglichkeitsprüfung - haben mehrere Naturschutzverbände, darunter die Naturfreunde Niedersachsen, der Bund für Umwelt und Naturschutz und die BI "Rettet den Südharz", Beschwerden bei der Europäischen Kommission angestrengt. Ziel ist es, die Kommission zu einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland zu veranlassen, um eine rechtlich einwandfreie Anwendung der FFH-Richtlinie zu gewährleisten. Damit könnten die Gipskarstgebiete weit besser geschützt werden, als es derzeit der Fall ist. Die Kommission führt zur Zeit ein "Ermittlungsverfahren". (Weitere Informationen folgen unter "Gipskarst-Nachrichten" und "Brennpunkte" zur gegebenen Zeit).

 
 
 
 
 
 
 
                         
 
 
 


Text: KNU / Naturfreunde Niedersachsen / Götz Ellwanger    -    Fotos:  © KNU

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